Digitale Transformation. Das ist eine Riesenchance. Aber es ist auch ein Thema, das viele unserer Mitarbeiter mit Ängsten belastet. «Oh, das überrollt mich. Das eliminiert meinen Arbeitsplatz.» Ich habe das speziell in den letzten vier Jahren sehr stark auch eingebettet in unsere Kulturreise. Die Leute abholen und zeigen, dass diese digitale Transformation schon seit Jahrzehnten Platz in unserem Leben einnimmt. Das wird teilweise nicht wahrgenommen. Telex, Kabeltelefon, das kennen Sie noch. Heute telefoniert kaum mehr jemand. Dann Fax, E-Mail. Die Dokumente wanderten vom Papierordner in den Computer.
Und heute sprechen wir von KI.
Was ja noch längst nicht ausdiskutiert ist.Davor habe ich grossen Respekt. Auch Angst, wenn ich ans Unternehmen denke. Wieviel Daten gehen da verloren? Sind vertrauliche Daten plötzlich öffentlich verfügbar? Wir müssen da etwas vorleben, aber auch Verständnis dafür zeigen, dass viele Mitarbeitende davor Angst haben.Wenn ich von Umbruch spreche, meine ich auch die politische Situation.Ich sehe das ein bisschen relaxter. Ich war in El Salvador kurz nachdem der Bürgerkrieg zu Ende ging. Ich war im Jahr 2000 in Russland, wo die russische Finanzkrise von 1998 deutliche Spuren hinterliess, und einen grossen Umschwung bedeutete. Ich komme jetzt zurück aus Brasilien, nach 13 Jahren, war aktiv eingebunden in Argentinien. Ich habe disruptive politische Veränderungen erlebt und habe gelernt, damit umzugehen und eine gewisse Distanz aufzubauen.
Wir tendieren dazu, immer erst mal das Negative zu sehen. Diese Zölle von Trump. Ich wurde vom SRF Reporter gefragt: «Sind Sie im Schock?» War ich nicht. Ich habe mich frühzeitig damit beschäftigt. Trump hat es ja angekündigt. Ich habe schon früh gesagt, dass sich das regulieren wird. Tatsache ist: Zuerst hiess es 31%. Dann hat Trump sie ausgesetzt. Danach hiess es 10% und später 50%. Keiner weiss es. Wir haben rasch interne Gegenmass- nahmen ergriffen und werden uns an die neue Realität anpassen.
Das war ein Lernen, ganz relaxed ranzugehen und abzuwarten, was passiert. Ich glaube, Brasilien war eine harte Schule.
Natürlich konnte ich mich einbringen. Wir haben 2012 das Familienunternehmen Neodent gekauft, das im brasilianischen Markt mit unter 30% Anteil Nummer Drei war im Implantat-Geschäft. Aufgrund meiner Lateinamerikaerfahrung und auch Sprachkenntnis war ich prädestiniert. Es stellte sich aber heraus, dass die Firma eigentlich ein Turnaround-Kandidat war und nach aussen besser gewirkt hat, als sie tatsächlich war. Es bestand die Gefahr einer Wertminderung der Bilanzwerte.
Die Braut wurde für den Verkauf aufgehübscht. Aber nach sechs Monaten Analyse kam ich zum Schluss, dass Neodent das Potenzial hatte, um ein internationaler Player zu sein.
2014 gab’s wieder Wachstum. Im November 2024, als ich ausgeschieden bin, lag der Marktanteil in Brasilien bei weit über 60% und vom Volumen her hat Neodent die grösste Implantat Produktion der Welt.
Ich möchte zurückkommen zum Pionier. Als Pionier möchten Sie gerne etwas Neues, Ausserordentliches schaffen. Was haben Sie noch auf Ihrem Wunschzettel diesbezüglich?Mein grosser Wunsch und Traum ist, mit Medartis zu wiederholen, was wir gerade mit Neodent erreicht haben. Also Medartis weltweit als führendes Orthopädieunternehmen im Bereich Hand und Handgelenk zu etablieren und nicht nur als irgendeine Nummer im Weltmarkt. Wir haben alles, um auch in einigen Bereichen Weltmarktführer zu werden und so das Unmögliche möglich zu machen.Wie?Wir müssen die Leute begeistern. Aber dafür müssen die Zahlen stimmen. Wir müssen uns beweisen. Das wird sich peu a peu entwickeln. Euphorie wird langsam geweckt. Das ist nichts, was von heute auf morgen passiert. Aber diesen Traum habe ich. Und er ist realistisch.Und welchen Wunschtraum haben Sie für die Welt?(lacht) Wenn ich einfach wünschen dürfte? Wäre schön, wenn wir die Krisenherde nicht mehr hätten in der Welt. Wenn es keinen Rassismus mehr gäbe und wir wirklich harmonisch zusammen- leben könnten. Das Aushalten von Diversifikation, die Bereitschaft zu Integration – das fehlt uns heute noch.Ich höre zu. Bin aber auch sehr transparent. Ich fordere Argumente ein, gebe auch meinen Beitrag ab und bin immer offen für einen robusten Dialog.
Was bei mir überhaupt nicht funktioniert sind Aussagen wie: «Das geht nicht.», «Das haben wir immer so gemacht.», «Das ist schwierig.» Wenn dann keine Argumente kommen, bin ich auch jemand, der manchmal top down entscheidet.
Grundsätzlich ist es für mich der Dialog, das Diskutieren, der Versuch, zum gemeinsamen Nenner zu kommen. Aber letztlich bin ich der, der die Entscheidung fällt und die Verantwortung trägt.
Das beginnt mit der offenen Bürotür. Jeder kann reinkommen. Nicht nur mein direktes Team. Jeder kann kommen, jeder kann mich ansprechen. Ich bin auch viel im Unternehmen unterwegs, bin präsent und im engen Austausch mit den Leuten.
Da kommen teilweise interessante Ideen. Dann planen wir ein separates Meeting und vertiefen das.
Es kommen auch Mitarbeitende mit Fragen, die sie zum Beispiel zu meinen monatlichen Video-Botschaften haben. So sind Sie immer gut informiert, was da in der Chefetage im 8. Stock passiert und entschieden wird. Das löst Fragen aus. So spüre ich, ob die Strategie verstanden wird.
Dazu kommen auch der Austausch über meine Kommunikations-abteilung und natürlich Social Media mit einem Fokus auf LinkedIn. Dieser kulturelle Kommunikationsapparat hat sich über Jahre entwickelt. Und schliesslich mache ich auch noch wöchentlich einen Podcast für Radiogesellschaften in Brasilien.
Herr Schupp, ich danke Ihnen für das Gespräch.