Ich bin Aktivist, Campaigner.
Als ich mich selbstständig gemacht hab 1998 war das mehr aus der Notwendigkeit heraus. Ich bin ja von der Ausbildung her Physiker, war 13 Jahre bei Greenpeace.
Ich habe gemerkt: Was ich im Campaigning gelernt habe, hilft eigentlich in allen Bereichen. Denn es geht letztendlich darum, das Verständnis, die Einstellung oder das Verhalten von Menschen zu verändern, damit sie einem helfen, ein Ziel zu erreichen, das man nicht einfach befehlen kann.
Was ist das absolut Zentrale?Campaigning heisst Dialog: Zuerst aktives Zuhören und dann erst Reden.
Es geht letztlich immer darum, mehr Einfluss zu haben auf Personen und Organisationen.
Viele Leute würden mich als verrückt bezeichnen, weil ich Risiken eingehe. Ich war im Dschungel, habe mich dort für den Regenwald eingesetzt und geriet fast in einen Hinterhalt von Holzfällern, die uns erschiessen wollten.
Ich habe ein Collaborative Innovation Network für Power-to-X mit aufgebaut, wo von der Armee über SBB und Swiss bis zu Zürich Airport Mitglieder dabei sind. Alle, die sich mit synthetischen Brenn- und Treibstoffen sowie Wasserstoff beschäftigen.
Ich leite gerade eine Machbarkeitsstudie für den Bau einer Demonstrationsanlage für synthetisches Kerosin im Kanton Aargau. Ich spiele in der Rockband «300 Rock», die vor ein paar Wochen eine Single rausgebracht hat und springe da wild im Spartanerkostüm über die Bühne.
Ich bin Gemeinderat, verkehre mit Leuten aus der AC/DC Fanszene, gehe im Bundeshaus ein und aus – und komme mit allen gut aus.
Wenn Sie auf die Schnelle etwas verwirklichen könnten, magisch wie Harry Potter. Was wäre das?Dass die Menschheit eine Aufklärung 2.0 erlebt. Wo die Werte Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ergänzt würden durch Wissenschaft.
Dass Politik anhand von Fakten gemacht wird unter Respektierung der Würde der Menschen – in Freiheit. Das wäre mein größter Wunsch.
Nur: Der Wind bläst gegenwärtig aus einer ganz anderen Richtung.Ja. Deswegen wünsche ich es mir so sehr. Aber ich habe es mir schon immer gewünscht.Als Pionier begibt man sich auf unbekanntes Terrain. Man weiß nicht, was einen erwartet. Natürlich löst das Ängste aus. Als ich mich selbständig machte, hatte ich schlaflose Nächte, wenn ich nicht ein halbes Jahr im Voraus ausgebucht war.
Angst kann auch gut sein. Denn Angst schärft die Sinne. Und wenn die Sinne geschärft sind, dann achtet man eben auf alle Signale, solange man sich nicht lähmen lässt.
Wie haben Sie es mit der Geduld?Sowohl als auch. Als Pionier denkt man viel «sowohl als auch» statt «entweder oder». Es gibt Situationen, da bin ich extrem ungeduldig. Und dann gibt es Situationen, wo ich die Geduld in Person bin. Das kommt ganz auf den Zusammenhang an.Synthetische Treibstoffe. Dafür setze ich mich jetzt seit zwölf Jahren ein. Einerseits habe ich die Geduld weiterzumachen, auch wenn es extrem langsam geht in der Politik. Und andererseits bin ich ungeduldig, weil der Klimawandel uns davongaloppiert.
Mit Personal war ich oft zu ungeduldig.
Weshalb?Als Pionier beschäftigt man sich ganz intensiv mit der Thematik. Dann unterliegt man dem Fluch des Wissens. Man ist Experte und kann sich nicht mehr in andere hineinversetzen, die mit dem Thema nicht so vertraut sind. Dann denkt man, man hat es ihnen doch erklärt, wieso kapieren die das nicht – und schon habe ich zu wenig Verständnis für Fehler.
Da braucht man viel, viel, viel, viel mehr Geduld als ich sie habe.
Haben Sie Vorbilder?Klar: Angus Young auf der Gitarre.Einstein wegen der Wissenschaft und dem kritischen Denken. Als Physiker hat man sowieso Albert Einstein als Vorbild.
Steve Jobs wegen der Fokussiertheit und der Fähigkeit, maximal zu reduzieren. Das sehe ich auch bei AC/DC: maximal reduziert – auf den Punkt gebracht. Und immer wiedererkennbar.
Das finde ich faszinierend, denn auch beim Campaigning musst du so eine klare Identität im Kopf haben. Die Vision ist letztendlich eine Marke. Die Marke musst du in den in den Herzen, Bäuchen und Köpfen der Leute verankern – und zwar ganz klar.
Können Sie Beispiele nennen?Campaigning ist Dialog. Wenn ich die Zielgruppe nicht zu 100% verstehe, mache ich Workshops mit den Leuten und lasse die Kampagne von denen entwickeln. Als wir das 2003 das erste Mal gemacht hatten, war das für den NuvaRing, ein Verhütungsmittel für Frauen.
Auch für den Film «Mein Name ist Eugen» wurde die Marketing-Strategie von der Zielgruppe entwickelt.
Auch schon 20 Jahre her, aber ein überraschend guter Film.Finde ich auch. Wir zeigten eine Rohfassung des Films in vier Workshops Leuten von 6 bis 84 Jahren. Dann haben wir sie frei assoziieren lassen, was ihnen dazu eingefallen ist.Ihr wichtigster Slogan heisst «Unmöglich ist nur ein anderes Wort für Veränderung». Wie soll ich das verstehen?Die alten Griechen dachten lange, die Erde ruhe auf einer Schildkröte und fragten sich, worauf diese denn ruhen möge. Denn alle Dinge fallen bekanntlich nach unten. Das Problem wurde erst durch Anaximander gelöst, der die gleiche Beobachtung in andere Worte fasste: «Alles fällt zur Erde». Problem gelöst. Und so ist es oft mit schier unlösbaren Problemen. Oft genügt es, die Beschreibung – und damit auch die Sichtweise darauf – zu verändern, um eine Lösung zu finden. Wer etwas ändern will, muss auch bereit sein, etwas zu verändern.Vielen Dank. Damit scheint mir alles geklärt – für den Moment.