Als Erstes möchte ich klarstellen, dass ich mich nicht unbedingt als Pionier sehe.
Denn Pioniere setzen Impulse, die fernab vom Mainstream der Wirtschaft greifen. Ich sehe mich als innovativen, dynamischen und offenen Manager. Sehr vieles hat mit der Persönlichkeit des Managers zu tun. Ich habe einen unbändigen Optimismus und werde ungern vom Umfeld geprägt. Ich treibe lieber mein Umfeld an, als dass ich vom Umfeld getrieben werde.
Das ist wohl eine Grundvoraussetzung für einen innovativen Manager: «Ich möchte immer einen Schritt voraus sein.»
Dafür braucht es stets neue Visionen. Man muss Dinge sehen, die noch nicht real sind, aber irgendeinmal kommen könnten.
Ich glaube auch, dass man als innovativer Manager eine umgängliche, empathische Persönlichkeit sein muss.
Das sehe ich nicht so. Es mag helfen. Elon Musk sehe ich als Pionier — aber empathisch?Zugegeben, das ist er nicht. Grundsätzlich braucht es aber einen Gestaltungswillen. Ich sage meinem Team immer: «Ich will nicht von der Industrie getrieben werden, ich will die Industrie treiben.»Konnten Sie das?Ich denke schon. Ich bin vielleicht nicht der klassische Pionier, aber ich erkenne Trends sehr früh. Ich habe die E-Mobilität nicht erfunden. Aber ich sah früh, dass man sich dem nicht verschliessen darf. 2012, als wir in der Schweiz mit SOCAR anfingen, entwickelten wir eine Vision, in der wir bewusst das Wort «Energie» verwendeten und nicht das Wort «Öl». Damals war das in unserer Branche und für die Firma ein beachtlicher Schritt.Die macht mir Sorgen, aber als Optimist bin ich überzeugt, dass sich das Gute durchsetzt – wenn es auch etwas Zeit braucht. Diese Weisheit, die mich durchs Leben getragen hat, gab mir meine Grossmutter mit auf den Weg.
Ich versuche, mich nicht zu stark beeinflussen zu lassen, auch wenn mich gewisse Meldungen und Geschehnisse schockieren. Dabei ist mir wichtig, Mikro- und Makrobereich zu unterscheiden. Die Weltlage ist kritisch, doch die Schweiz sehe ich noch gut aufgestellt.
Chancen und Probleme für die Firma hänge ich weniger an der politischen Lage auf. Unser Geschäft ist recht stabil, denn unabhängig von der Weltlage wollen die Menschen mobil sein. Der Wärmemarkt sinkt stark und das wird so weitergehen.
Diese ‘transition’ ist im Gang. Ich sehe das tatsächlich als Chance für uns und nicht als Gefahr.
Ich bin überzeugt, da geht es noch um ganz andere Dinge als nur um bessere Batterien.
Da sehe ich auch für ölfokussierte Firmen Chancen, Fuss zu fassen. Aber es braucht eine klare Strategie. Wichtig ist: wir haben schon ein Netz und können handeln, wenn etwas Neues da ist.
Sie erinnern sich vielleicht an die ersten Video-Kassetten. Da diskutierte man über VHS, Betamax oder VCR. Und kaum setzte sich VHS durch, kam die DVD. Ein paar Jahrzehnte später wurde diese durchs Streaming ersetzt.
Solche Sprünge in der E-Mobilität betrachte ich als möglich. Vielleicht ist die Batterie nicht die ideale Lösung in der E-Mobilität. Wenn etwas passiert, müssen wir dafür bereit sein.
Wie halten Sie diese Bereitschaft, diesen Pioniergeist wach?Das hat bei mir sehr viel mit dem Team zu tun. Sie können noch so innovativ sein, wenn das Team nicht mitzieht, läuft gar nichts. Es braucht die Motivation, dass man der nächsten Generation etwas mitgeben will, um die Welt zu gestalten. Und das ist nicht auf den Pionier oder das Management beschränkt.
Wir haben über 800 Personen. Da hat es sehr clevere Köpfe darunter.
Sie wollen sozusagen den vorhandenen Pioniergeist aus den Leuten herausholen.Genau.Wie hören Sie zu?Bei mir ist die Tür offen und ich gehe an viele Anlässe. Ich spreche viel mit den Leuten, gehe täglich durchs ganze Haus, bin in Meetings und nutze jede Gelegenheit zum Austausch – sei es bei einem Kaffee oder einem Bier. Diese persönlichen Begegnungen sind für mich entscheidend.
Deshalb bin ich auch kein grosser Fan von Home-Office. Operativ mag es funktionieren, aber das Soziokulturelle und die Innovationskraft leiden darunter.
Wie kommen Ihnen die besten Ideen?Das passt zu dem, was ich gerade gesagt habe: Alleine habe ich nicht die besten Ideen. Sie kommen mir im Austausch mit anderen, im Gespräch, in der Diskussion.Wenn Sie sich etwas wünschen könnten, was wäre das?Ha! Bezüglich Mobilität wäre es natürlich schon cool, wenn wir irgendwann CO2-neutral und emissionsfrei überall hinfliegen könnten. Wenn ich heute Nachmittag einfach aufs Dach gehen könnte und per Drohne oder so in 10 Minuten nach Hause düsen könnte.
Ich bin sogar überzeugt, dass das eines Tages kommt.
Schauen Sie sich alte Science-Fiction Filme an. Vieles, was sich da Leute ausgedacht haben, ist heute Realität.
Es wird sich noch viel tun.
Meine Vorbilder stammen nicht aus der weiten Welt, sondern aus meinem näheren Umfeld, meiner Familie.
Mein Vorbild war eigentlich meine Grossmutter. Eine sehr gebildete, spannende, weise Person, die mir viel Lebensphilosophie mitgegeben hat.
Sie hat meine Lebenseinstellung geprägt. Sie ist mir ein wichtigeres Vorbild als ein Elon Musk. Er mag dynamisch und innovativ sein. Aber das reicht mir nicht.
Wie gehen Sie mit Ängsten um? Hilft Ihnen da Ihr grundsätzlicher Optimismus?Neben meinem Optimismus ist wohl mein Vertrauen in meine Mitmenschen und Mitarbeitenden ein weiteres wichtiges Merkmal von mir. Meine Mitarbeiter haben mein vollstes Vertrauen. Ich weiss, dass das auch mal schiefgehen kann.
Wenn man einen Vertrauensvorschuss gibt, hat man weniger Angst.
Bei körperlicher Gefährdung bin ich ein Angsthase. Ich habe auch Höhenangst. Also bungee jumping oder solche Dinge liegen mir nicht.
Aber im Geschäft habe ich bei Entscheidungen keine Angst. Andere haben oft viel mehr Bedenken, aber gerade die brauche ich im Team. Ohne diese Perspektiven würde es sonst nicht klappen.
Wie gehen Sie mit Widerständen um?Wenn man etwas verändern will, muss man ein Vorbild sein.
Ein Beispiel: Als wir vor über 10 Jahren entschieden, in die E-Infrastruktur zu investieren, war für mich klar, dass ich ein E-Auto, einen Hyundai Kona, haben musste und eine Ladestation am Arbeitsplatz brauchte – dies als CEO einer Öl-Firma.
Darüber musste ich gar nicht gross sprechen – das geschah automatisch. Da kamen zum Teil heftige ablehnende Reaktionen. Eindeutig Angstreaktionen. Andere tauten richtig auf. Wenn Sie das Umfeld überzeugen wollen, müssen Sie es vorleben.
Und dazu: Sie müssen bereit sein, wichtige Dinge oft zu wiederholen – aber auch fähig sein, andere Meinungen stehen lassen zu können.