«Eine erstklassige Validierung!»In Schweizer Städten wollen alle gut leben und wohnen können. Deshalb wünscht die Bevölkerung beruhigte Strassen und Begegnungszonen. Der Verkehrsplaner Sebastian Clausen in Bern wollte es genau wissen, lud die Leute im Wylerquartier zum Online Dialog – und hörte genau zu.
Herr Clausen, Sie sind Verkehrsplaner in Bern. Welches Problem hatten Sie?Wir haben von der Politik den Auftrag bekommen, eine grossflächige Begegnungszone im Quartier Wyler einzurichten. In der Vergangenheit stellten wir fest, dass uns in den grossflächigen Projekten eigentlich der Partizipationsprozess fehlt. Wir hatten zwei Spaziergänge mit der Bevölkerung geplant, aber wir wollten die Leute auch digital erreichen.Wie haben Sie das umgesetzt?An den Spaziergängen nahmen je 25 Personen teil – in einem Quartier, in dem etwa 2500 Leute wohnen. Beim Online Dialog machten 141 mit. Erfreulich war, dass die Teilnehmenden sich über alle Altersgruppen erstreckten. Wir haben auch viele Studierende im Quartier und die machten auch mit. Wir sahen später, dass der Online Dialog die Bevölkerungsverteilung weit besser repräsentierte als die Spaziergänge. Nur gerade 12 der 141 waren auch an den Spaziergängen dabei.Also eine breitere Basis.Ja, es ist eindeutig: Die physische Partizipation reicht nicht. Aber damit die digitale auch funktioniert, dafür muss man sich engagieren.Was waren Ihre Erfahrungen mit BrainE4?Es war offensichtlich, dass viele Leute die spielerische Herangehensweise mit BrainE4 sehr cool fanden. Das war ganz anders als mit einer klassischen Umfrage, wo man schon keine Lust mehr hat, wenn man es von weitem sieht. Der Gamification-Ansatz kam sehr gut an.
«Viele Leute fanden die spielerische Herangehensweise mit BrainE4 sehr cool.»
Dass man Ideen und Vorschläge eingeben konnte, war sehr wichtig. So wussten wir, was sich die Leute wünschen und was sie beschäftigt – wir haben zugehört.
Ich persönlich hätte den Wunsch an die Entwickler, dass sie auch Karteneinbindung möglich machen. Dass also eingegebene Ideen von den Usern örtlich zugeordnet werden können.Was hat Sie überrascht?Während der Spaziergänge lokalisierten wir Orte und Themen, die die Leute beschäftigten. Da lief parallel der Online Dialog bereits und wir gaben diese Informationen sofort als Ideen und Meinungen in die Web-App ein. So konnten sich die, die nicht dabei waren, auch dazu äussern – und wir bekamen sofort die Rückmeldung von der grösseren Teilnehmermenge. Das Ranking-System von BrainE4 stützte die Ansichten der Kleingruppe. Eine erstklassige Validierung!Das enttäuscht Sie nicht, dass die Überraschung ausblieb?Keineswegs. Als Planer braucht man Gewissheit, Abgleich und Bestätigung aus der Bevölkerung. Das ist viel wert.Was war schwierig?Ein wichtiges Learning war, dass BrainE4 sein volles Potenzial entfaltet, wenn man die Leute aktiv und direkt mit Flyern und anderen Aktionen anspricht und motiviert. Die Gestaltung des Flyers darf auf keinen Fall aussehen wie Werbung und muss einen offiziellen Auftritt haben.
«Wir erfuhren, was sich die Leute wünschen und was sie beschäftigt.»
Sie hatten auch schon eigene Hypothesen beim Beginn des Online Dialogs zur Beurteilung vorgegeben. Welche Erfahrungen machten Sie damit?BrainE4 ist ja wirklich neuartig. Wir sahen nicht sofort, welche neuen Möglichkeiten das System bot. Deshalb waren unsere Hypothesen nicht so aussagekräftig wie sie hätten sein können. Bei einem zweiten Online Dialog könnten wir das Potenzial sicher noch besser ausschöpfen.
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Was würden Sie anders machen?Wir würden von Beginn weg unsere eigenen Hypothesen besser testen. Aber wir wurden sehr gut unterstützt durch das Team von BrainE4, konnten adaptieren und viel Informationen herausholen.Gibt es Entscheidungen, die Sie gefällt haben aufgrund dieses Online Dialogs?Ja. Es hat sich herauskristallisiert, dass es eigentlich fünf verschiedene Orte im Quartier gibt, bei denen wir Testmassnahmen durchführen, bevor wir die Begegnungszone umsetzen. Da haben wir uns auf die erhaltenen Daten gestützt. Was es in die Top 5 des Ideen-Rankings schaffte – darauf haben wir uns fokussiert.
«Ich denke, auch für kleinere Städte wäre BrainE4 sehr gut.»
Was ist Ihr Fazit?Dass es unabdingbar ist, in diesen Prozessen ein digitales Tool zu haben, das begleitend und gut koordiniert im Partizipationsprozess integriert ist. In einem nächsten Partizipationsprozess werden wir das wieder benötigen.Wem würden Sie BrainE4 empfehlen?Wenn es darum geht, Ideen und Vorschläge zu sammeln und über einen spielerischen Ansatz Dinge herauszufinden, kann es in den verschiedensten Sektoren eingesetzt werden. Ich denke auch für kleinere Städte wäre das sehr gut. Dort sitzt oft nur ein Planer, der alle Verkehrsfragen auf seinem Tisch hat. Da kann BrainE4 sicher sehr gut unterstützen.
Interview: thk
Fakten und Kontakt:
Stadt Bern, Verkehrsplanung:Quartier Wyler: ca. 2'000 Erwachsene